RITA STOCKER – BILDHAUERIN – ART BOOK
Der Katalog ist erschienen zur Ausstellung Rita Stocker in der Galerie Esther Hufschmid, Zürich, Oktober 1999.
Fotos + Gestaltung – © peter gartmann
Herausgeber – Edition Gartmann, Münchenstein – Basel
In unserer pluralistischen Zeit ist es schwierig, Kunst zu beurteilen. Die Massstäbe sind völlig unterschiedlich. Je nach Perspektive des jeweiligen Betrachters ergibt es die nach vorne strebende Kunst, die sich mit neuen Materialien, neuen Raumideen, neuen Medien ausdrücken will, in denen die Idee, das Konzept, die Form oder das Symbol im Zentrum steht, unabhängig von der Materialisierung eines Werkes. Gleichzeitig aber ist das Material an sich – sei es Holz, Stahl oder Stein – immer wieder Anlass für Künstler, die Form aus der Materialität heraus zu entwickeln, an dessen Grenzen zu gelangen es sogar zu „überwinden“ oder ganz einfach sich mit den eigenen an dessen Kräften zu messen.
Entsprechend dem heutigen ökonomischen Trend verdrängt die immer raffiniertere Industrialisierung das Handwerk, doch gibt es Gegenkräfte, die das von Hand Bearbeitete als Qualität an sich schätzen und ihre eigene Kreativität mit dessen Hilfe zum Ausdruck bringen wollen. In der langen Tradition der Steinbildhauer hat sich seit Tausenden von Jahren nicht viel verändert, und doch ist es immer wieder ein Abenteuer, mit denselben Werkzeugen und demselben Material eigene Formfindungen hervorzubringen.
Wenn man die kulturelle Entwicklung der Menschheit über die Jahrtausende verfolgt, ist im bildnerischen Bereich ein erstaunlicher Zyklus der Formgebung auszumachen. Die frühe figürliche Abstraktion nähert sich im Verlauf der Jahrtausende und Jahrhunderte dem realistischen Vorbild und führt wiederum weiter und gleichzeitig zurück in die figürliche und nichtfigürliche Abstraktion.
Rita Stocker bezieht mit ihrem Werk ihre persönliche Position. Sie will sich geistig und körperlich mit dem Material, dem jahrtausendealten, auseinandersetzen, die Härte und Struktur des Steins als Anlass für die Formgebung berücksichtigen und gleichzeitig Zeichen und Symbole aus ihrer Umgebung in die von ihr gewollte Sprache übersetzten. Und plötzlich kommt ein neues Element, das Holz, dazu, das die formale Entwicklung von Rita Stocker verdeutlichen hilft. Sie sagt von sich selbst, dass sie, ausgehend von rechtwinkligen räumlichen Gebilden, mehr und mehr zur Wölbung übergegangen sei, und dass vor allem die Form des Grundrisses sie fasziniere, aus welchem anschliessend die dreidimensionale Form erwächst.
Die Wölbung wird zum Schwung – zur Dynamik – die Auseinandersetzung mit dem Grundriss zum Volumen und damit zur räumlichen Aussage.
Paul Meyer – Prof. Architekt, Thalwil